Innovative Naturschutzlösung im Schwingetal: Islandpferde retten Grünland für wertvolle Arten

Ende Juni wurde im Stader Schwingetal Bewegung im Naturschutz sichtbar – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Zehn Islandpferde traten dort ihren Dienst an, um eine ganz besondere Herausforderung anzugehen: die Kontrolle einer Pflanze, die auf den ersten Blick harmlos wirkt, aber dem wertvollen Grünland erheblich zusetzen kann.

Kurzgefressene Horste der Rasenschmiele. Foto: ÖSS

Das unscheinbare Problem: Das „Schneid-Gras“

Die sogenannte Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa), regional auch „Schneid-Gras“ genannt, ist eine eher unspektakuläre Pflanze. Für Weidetiere ist sie allerdings wenig attraktiv, besonders Rinder verschmähen die zähen Halme. Das hat Konsequenzen: Die Pflanze breitet sich ungehindert aus, verdrängt andere Arten und führt zu einer Verschlechterung der Weidequalität. Für dort vorkommende bedrohte Wiesenvögel wie den Großen Brachvogel (Numenius arquata),
den Kiebitz (Vanellus vanellus) oder das Braunkehlchen (Saxicola rubetra)wird es dadurch zunehmend schwerer, geeignete Lebensräume zu finden.

Besondere Herausforderungen im Schutzgebiet

Die betroffenen Flächen liegen mitten im Landschaftsschutzgebiet „Schwingetal“, das Teil des europäischen Natura-2000-Netzwerks ist. Hier gelten bestimmte Regeln: Konventionelle Maßnahmen wie
z.B der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind verboten. Die Ökologische Station Stade (ÖSS), die das Gebiet betreut, stand vor einer großen Herausforderung: Wie kann man die Pflanze kontrollieren, ohne die Naturschutzauflagen zu verletzen?

Eine innovative Lösung: Islandpferde als naturnahes Werkzeug

In enger Zusammenarbeit mit der Stadt Stade, dem Landkreis und weiteren Partner*innen wurde eine kreative Idee geboren: Statt herkömmlicher Methoden sollten Islandpferde die Arbeit übernehmen. Diese robuste Pferderasse ist an karge Weiden gewöhnt und benötigt zur Zahnpflege faserreiches, hartes Futter – genau das, was die Rasen-Schmiele bietet.

Abgefressener Teilbereich entlang des Kattenbecks nach 2 Wochen. Foto: ÖSS

Der Einsatz auf vier Hufen

Kurzfristig stellte ein Hof in Jesteburg zehn Islandstuten zur Verfügung. Zwischen Ende Juni und Mitte Juli grasten die Pferde auf einer ausgewählten Fläche im Schwingetal. Projektleiterin Janina Heins von der ÖSS begleitete den Einsatz vor Ort. Das Ergebnis? Vielversprechend: Die Pferde fraßen das Gras tatsächlich.

Ein Projekt mit Weitblick

Diese Aktion ist nur der Anfang eines mehrphasigen Projekts. Bereits Ende August folgt die nächste Beweidungsperiode, während parallel die Auswirkungen auf Vegetation und Artenvielfalt dokumentiert werden. Ziel ist es, eine dauerhafte, naturschutzfachlich verträgliche Lösung für das Schneid-Gras-Problem zu entwickeln und gleichzeitig die Artenvielfalt im Grünland wiederherzustellen – nicht nur für Stade, sondern als Modell für ähnliche Gebiete in Niedersachsen und darüber hinaus.

Die Ökologische Station Stade – ein wichtiger Partner im Naturschutz vor Ort

Die Ökologische Station Stade hat ihren Sitz bei der BUND Kreisgruppe Stade im Hans-Kelm-Haus im Stadtteil Ottenbeck und ist zentrale Einrichtung im Landkreis Stade, die sich der Vor-Ort-Betreuung und der Pflege von Schutzgebieten widmet.

Die Station übernimmt vielfältige Aufgaben: Sie plant und koordiniert Naturschutzmaßnahmen, führt dazugehöriges Monitoring durch, berät sich bei der Pflege von Schutzgebieten mit Kooperationspartner*innen und setzt innovative Ansätze um, um die Artenvielfalt zu verbessern und zu erhalten.

Rettung für ein Juwel im Moor: Orchideenwiese im Victorburer Moor wird endlich beweidet

Ein erfolgreicher Schritt für den praktischen Naturschutz

Im Herzen des Victorburer Moors, einem wertvollen Teil der ostfriesischen Moorlandschaft, liegt eine kleine botanische Schatzkammer: die Orchideenwiese. Hier wächst das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis), eine auffällige und streng geschützte Orchideenart, die auf nährstoffarmen, feuchten Wiesen gedeiht. Doch in den vergangenen Jahren wurde es still um das einst blühende Areal – der Bestand war überaltert, Nachwuchs kaum noch zu sehen.

Die Diagnose eines erfahrenen Botanikers ließ aufhorchen: Ohne aktives Management würde diese einzigartige Pflanzengemeinschaft langfristig verschwinden. Die Ursache lag in der fehlenden Nutzung – jahrzehntelang wurde die Fläche nicht mehr traditionell beweidet oder gemäht. Dabei sind gerade solche Maßnahmen für viele seltene Pflanzen überlebenswichtig: Ohne sie wachsen konkurrenzstarke Arten wie Flatterbinsen in die Fläche ein und verdrängen die empfindlichen Orchideen.

Nachhaltige Beweidung für die Orchideen

Im Frühjahr 2025 kam die Wende. Im Zuge der Förderung für die Vor-Ort-Betreuung von Schutzgebieten konnte das Team der Ökologischen NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF) aktiv werden. Der Bau eines Weidezauns im April und Mai ebnete den Weg für eine nachhaltige Beweidung.

Da der NABU Woldenhof die Beweidung der Moorheide am Moormuseum auch weiterhin mit den Heidschnucken des Betriebes gewährleisten will, diese für Kontrollen und die Versorgung mit Wasser aber nur über die mit der Orchideenwiese verbundenen Leegmoor-Fläche erreichbar ist, entschloss sich der NABU-Woldenhof ab Mitte Mai schließlich, auch die Beweidung mit zwei Jungrindern selbst zu gewährleisten. Die genügsamen Tiere helfen durch ihr Fressverhalten dabei, konkurrenzstarke Pflanzen zurückzudrängen und so Platz für die Orchideen zu schaffen.

Begleitung der Orchideenwiese

Die ÖNSOF wird die Entwicklung der Orchideenwiese auch weiterhin begleiten. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie sich der Bestand des Knabenkrauts unter den neuen Bedingungen entwickelt.

Zusätzlich sollen im kommenden Winter weitere Optimierungen an der Weidezauntrasse vorgenommen werden – Maßnahmen, die im Frühjahr aus Rücksicht auf brütende Vögel nicht mehr möglich waren.

Auch die Ausbreitung der Flatterbinsen wird gezielt bekämpft. Ziel ist es, die Artenvielfalt auf der Wiese langfristig zu sichern – nicht nur für die Orchideen, sondern auch für viele weitere bedrohte Arten, die solche offenen, nährstoffarmen Lebensräume brauchen.

Hintergrund: Warum Orchideen Wiesenpflege brauchen

Viele heimische Orchideenarten, darunter auch das Breitblättrige Knabenkraut, sind sogenannte „Kulturfolger“. Sie benötigen halboffene, regelmäßig genutzte Wiesen, wie sie früher durch traditionelle Landwirtschaft entstanden. Ohne Mahd oder Beweidung verfilzen diese Flächen, Gehölze dringen ein – und die konkurrenzschwachen Orchideen verschwinden. Aktive Pflegemaßnahmen sind daher unerlässlich für ihren Erhalt.

Praktischer Naturschutz vor Ort

Die Wiederaufnahme der Beweidung in der Orchideenwiese im Victorburer Moor zeigt eindrucksvoll, wie wichtig praktische Naturschutzarbeit vor Ort ist. Sie lebt vom Engagement und der Zusammenarbeit zwischen den Ökologischen Stationen, Behörden und landwirtschaftlichen Betrieben.

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